Tag 153 – 159 Monson bis Katahdin

Tag 153 24.8. Long Pond Lean-to:

Heute morgen gab es etwas ganz besonderes auf dem Trail – das Frühstück bei Shaw’s. Es ist ein All You Can Eat Breakfast mit Bratkartoffeln, Eiern, Schinken, O-Saft und Blaubeerpancakes. Paul hat das Hostel erst vor kurzem gekauft und ist mit seiner Frau ebenfalls den ganzen Trail gelaufen. Daher nimmt er sich besonders viel Zeit, um den Hikern einen wunderbaren Start in den Morgen zu ermöglichen. Bei mir gab es noch ein bisschen was zu erledigen, daher kam ich erst gegen 11:00 zurück an den Weg. Paul sagte noch: „Wenn du auf den White Caps stehst und das erste Mal den Katahdin siehst, dann wird das etwas verändern.“ Ich zog los und kam direkt an das Schild, das vor dem folgenden Abschnitt der 100 Milen Wilderness warnt. Leider hatte es gestern Nacht und auch heute Früh noch heftig geregnet, so dass der Weg unter Wasser stand – also nichts Neues hier in Maine :D. Kurz vor der ersten Flussdurchquerung überholte ich einen älteren Wanderer. Die Durchquerung verlief für mich selbst dann in relativ ruhigen Bahnen, auch wenn das Wasser sehr schnell floss und mir ein bisschen über die Knie reichte. Ich trocknete gerade meine Füße ab und stieg in meine Schuhe als der ältere Wanderer begann, den Fluss zu durchqueren. Er wirkte ein wenig unsicher und war noch keine 2 Meter vorangekommen, da fielen seine Wanderschuhe auch schon ins Wasser. Ich dachte mir an der Stelle: „Na vielleicht sollte ich meine Schuhe noch nicht zu schnüren im Fall, dass ich ins Wasser springen muss.“ Es gab ja hier genügend Steine, um sich blöd zu verletzen. Nachdem er seine Schuhe dann aus dem Wasser gefischt hatte, versuchte er es erneut und legte sich diesmal selbst komplett ins Wasser – eine Situation die nicht ganz einfach für ihn war. Er krabbelte zurück in einen etwas seichteren Teil und stand wieder auf. Ich bot ihm meine Hilfe an, die er aber ablehnte. Nach mehren Versuchen schaffte er es dann doch noch hinüber und für mich konnte es weiter gehen. Am ersten Shelter traf ich dann Hänsel und Gretel wieder. Sie wollten nur 12 Mi gehen (bei mir sollten es 15 Mi werden), daher verabschiedeten wir uns von einander und meinten, dass wir uns dann  in Millinocket, der ersten Stadt nach dem Katahdin, wieder sehen würden. Der Rest des Tages war gut zu laufen, aber für mich hieß es immer wieder Schuhe an- und ausziehen. Durch den Regen waren auch kleine Bäche nicht mehr so einfach zu überqueren. Am Ende des Tages kam dann in der einsetzenden Dämmerung der letzte und auch schwierigste Fluss an die Reihe. Es gab zwar ein Seil über den Fluss, wo man seinen Rucksack theoretisch anhängen konnte. Aber mit dem Rucksack wäre der Durchhang wahrscheinlich so stark gewesen, dass der Rucksack nass geworden wäre. Der Long Pond River reichte mir bis zur Hüfte (also ca. 1m vielleicht). Er floss so schnell, dass ich meine Füße nicht heben konnte ohne umgeschubst zu werden. Also hieß es langsam Fuß für Fuß lvorwärts schieben. Nach dem ich rüber war, musste ich erstmal verschnaufen, bevor ich die letzte Meile in Angriff nahm und in der ersten Dunkelheit ankam. Die Tage werden hier wirklich in letzter Zeit ziemlich schnell kürzer und es ist im Wald schon um 19:00 so dunkel, dass man mit Kopflampe laufen muss. Am Ende des Tages hatte ich 5 Mal meine Schuhe wegen eines Flusses ausgezogen, obwohl im Buch nur 3 veranschlagt waren.

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Trailmeile: 2089.8

Tag 154 25.8. Carl A. Newhall Lean-to:

Ein erster Blick aus dem Lean-to heute morgen verheisst Regen, Regen, Regen und das an einem der letzten Berge. Es war zusammengefasst den ganzen Tag nass – sowohl von oben, als auch von unten. Der Trail hatte sich nicht verbessert. Am Abstieg vom Barren Mt. war es äußerst gefährlich, denn es ging ein Steinfeld hinunter und es war sehr glitschig. An der Stelle dachte ich mir, dass ich mir zu 150% irgendwas brechen oder mich zumindestens ordentlich verletzen werde. Zum Glück kam ich dann doch ohne Verletzung durch und es konnte weiter gehen. Alles in allem war heute tatsächlich einer der Tage im Tunnel, wie ich sie gerne nenne. Was heißt das für mich? Es bedeutet Kopf nach unten, Augen auf den Weg, Regen von oben, nasse Füße, Ziel ein Lean-to, Mental so hart darauf fixiert, diesen Tag einfach nur durchzuziehen ohne mich zu verletzen, keine Aussichten, einfach einer der Tage, an die man sich später nicht mehr erinnnern wird, weil alles an einem vorbei fliegt.

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Trailmeile: 2110.6

Tag 155 26.8. Cooper Brook Falls Lean-to:

An dieser Stelle könnte ich eigentlich den gleichen Text wie oben einfügen :D. Vom White Cap Mt. sah ich ungefähr 10 m weit, also hieß es weiter gehen. Der Abstieg war nicht ganz so schlimm, aber ich merkte, dass irgendwas heute mit meinem rechten Fuss nicht so richtig wollte. Am Lean-to danach schaute ich ins Register und alle möglichen Leute waren wahnsinnig überwältigt vom ersten Anblick des Ziels. Der White Cap war auch der letzte wirkliche Berg vor dem Katahdin, denn von hier an ging es nur noch entlang von Flüssen, Ponds und im Wald. Am zweiten Lean-to des Tages machte ich Mittagspause und zog den rechten Schuh aus und da sah ich dann auch, was das Problem war. Alle Zehen (außer dem Großen) waren durch die nassen Socken wund gelaufen . Bei jeder Berührung brannte alles und als ich dann in meinen Crocs ein bisschen herum laufen wollte, ging es einfach nicht, weil es zu sehr schmerzte. Jetzt könnte man natürlich sagen: „Warum hat er sich denn keine trockenen Socken angezogen?“ Die einfache Antwort lautet es hätte nichts gebracht. Die Schuhe sind einfach nach 3 Tagen Regen und Schlamm so nass, dass auch trockene Socken nach 5 min wieder so feucht sind und das ich hier irgendwas auf dem Weg trocken kriege ist genauso wahrscheinlich wie das mein Rucksack auf einmal Füße kriegt und anfängt alleine den Weg zu laufen (der Gestank meines Rucksack deutet zwar darauf hin das er lebt, aber ich habe noch keine Füße gesehen :D). Also was nun? Weiterlaufen? Bleiben? Nach einigem Hin und Her entschied ich mich für weiter gehen, denn das Bleiben hätte zur Folge, dass ich nicht sicher sein konnte, ob mein Essen reicht. Ich ging noch 0.3 Mi bis zur nächsten Furt und danach desinfizierte ich meine Zehen und klebte sie ab. Bis zum Shelter ging es dann noch 7 Mi, aber am Ende kam ich an und hatte es für mich ganz alleine an einem kleinen Wasserfall.

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Trailmeile: 2129.5

Tag 156 27.8. Wadleigh Stream Lean-to:

Nach einer Nacht mit heftigem Regen konnte ich am Morgen losziehen ohne direkt von oben nass zu werden. Das Profil sah heute nur einen Höhenunterschied von 200 m über den ganzen Tag verteilt, vor. Die Sonne schien den ganzen Tag von einem wolkenlosen Himmel, aber es war weiterhin doch recht kühl. Der Weg verlief entlang eines kleinen Flusses und kreuzte immer mal wieder kleine Ponds. An einem der kleinen Strände konnte ich dann mein Mittagessen mit einem wunderbaren Blick genießen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich nur eine Person getroffen – einen Northbound Sectionhiker. Kurz nach meiner Mittagspause traf ich dann noch zwei Southbounder und das war es dann auch für diesen Tag mit Menschen. Da das Wetter wirklich schön war, gab es dann von einem Punkt einen ganz besonderen Anblick – der Katahdin. Der Katahdin? Wirklich? Das muss doch wohl eher eine Fatamorgana sein, denn ich bin jetzt seit mehr als 5 Monaten unterwegs ohne mein Ziel jemals gesehen zu haben. Für den restlichen Weg ging mir dieser Berg heute nicht mehr aus dem Kopf und ich muss sagen, ich dachte: „Hej, das Ding ist vielleicht gar nicht mehr so weit weg.“ Am Abend im Shelter war ich alleine und fand verschiedene Zeitungsartikel unter anderem von einem Hiker der 2001 alle drei großen Wanderwege in einem einzigen Jahr gelaufen ist. Er war am Ende ein bisschen traurig, das er den sozialen Part des Wanderns verpasst hat, weil er einfach zu schnell unterwegs war. An dieser Stelle musste ich an die vielen Wanderer und Menschen entlang meines Weges denken – ich glaube, dass wird mir in den nächsten Tagen noch öfters passieren, dass man anfängt, diese Reise zu reflektieren und sich tatsächlich auf das Ende dieses Weges einstellen muss, auch wenn es von hier noch gute 30 Mi sind.

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Trailmeile: 2151.0

Tag 157 28.8. Hurd Brook Lean-to:

Auch heute war der Plan recht einfach den ich gefasst hatte – einfach nur genießen. Die letzten Meilen  der 100 Mile Wilderness einfach nur genießen, Spaß haben und nochmal alles mitnehmen was geht. Wieder verlief der Weg entlang eines kleinen Flusses und bis auf die vielen Wurzeln und Steine war es ein super einfacher Weg. Der Trail versuchte sich hier eindeutig nochmal einzuschmeicheln, damit ich die Schwierigkeiten der letzten Monate wohl vergessen würde, aber diesen Gefallen werde ich ihm nicht tun. Dann kam ich über ein Steinfeld auf die Rainbow Ledges. Von hier aus gab es erneut einen Blick auf den Katahdin. Ich setzte mich hin und betrachtete den Berg. Da es noch verhältnismäßig zeitig war, saß ich für mehr als eine Stunde an dieser Stelle, bevor ich mich zum letzten Lean-to in der 100 Mi Wilderness aufmachte und auch heute war kein Mensch außer mir hier. Eigentlich hätte ich auch noch weiterlaufen können bis zur Abol Bridge und dort mein Zelt aufschlagen. Dort hätte es dann auch Burger und normales Essen gegeben, aber ich entschied mich dagegen. Ich wusste nicht so richtig, was ich an dem Abend machen sollte, daher kroch ich schon um 18:45 in meinen Schlafsack.

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Trailmeile: 2170.6

Tag 158 29.8. The Birches Lean-to:

Am Morgen war ich ein bisschen verwundert, denn hinter dem Lean-to stand auf einmal ein Zelt und ich hatte gestern Abend nicht mehr mitgekriegt, dass noch jemand aufgetaucht war. Es war Nurse der dann aus seinem Zelt gekrabbelt kam und den gleichen Plan wie ich hatte – frühstücken beim Abol Bridge Campground. Dafür ging es dann nur noch die letzten 3 Mi aus der 100 Mi Wilderness heraus und über die Abol Bridge (mit Blick auf den Berg der Träume). Leider hatte das Restaurant noch nicht offen, aber der Campstore hatte ein paar Frühstückssandwichs mit Ei, Schinken und Käse. Diese waren in Kombination mit einer heißen Schokolade völlig ausreichend um einen Hiker glücklich zu machen. Danach machte ich mich auf den Weg zur Grenze in des Baxter State Parks. Am Eingang gab es eine Tafel, an der sich die Thru-Hiker für das Birches Lean-to einschreiben können. Die Parkregularien sehen vor, dass dort nur maximal 12 Leute untergebracht werden dürfen, die mindestens die letzten 100 Mi durchgängig gewandert sind. Dort am Eingang traf ich dann CaptainK wieder. Ihn hatte ich das letzte Mal vor 2000km getroffen, auch wenn ich immer mal wieder seine Einträge in den Shelter Logs gelesen hatte. Bis zum Lean-to waren es von hier aus nur noch 9 Mi, die wirklich einfach waren. An der Rangerstation angekommen, wollte ich mich dann registrieren und die Platzgebühr von 10$ bezahlen, aber leider war niemand da. Im Log aber las ich, dass eine große Meute bereits am Freitag den Gipfel bei schönstem Wetter bestiegen hatte, darunter waren Silent Force, Red Panda, Apple Cider, Mufasa und die Aussie Legs (von denen ich zwar viel gehört, aber nie getroffen habe). Von der Ranger Station mit den Campingplätzen ging es noch 0.2 Mi weiter bis ich das letzte Lean-to/Shelter dieser Reise erreichte. Die Parkverwaltung will wohl die normalen Tagestouristen und die Weitwanderer ein bisschen separieren (zumindestens hatten wir das Gefühl). Von hier aus sind es nur 5 Mi bis auf den Gipfel, aber man muss ungefähr 1200 Höhenmeter nach oben klettern und was ich so gehört habe, ist Klettern an dieser Stelle wirklich wörtlich zu nehmen. Am Abend saßen wir noch einmal alle am Lagerfeuer zusammen, ein wirklich schöner letzter Abend auf dem Trail.

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Trailmeile: 2184.0

Tag 159 29.8. Katahdin:

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Ich möchte an dieser Stelle allen Leuten (Familie, Freunde, Bekannte,  Verwandte, Kollegen, Leute, die mich insgeheim für verrückt gehalten haben :-D)  danken, die mir das hier in irgendeiner Form ermöglicht haben. Die Gefühle die einem am Ende hier so durch den Kopf schießen, lassen sich nur seeeeeeeeehr schwer in Worte fassen, daher lass ich es lieber sein :-D. Diese Reise war lang und zu begreifen, das sie nun zu Ende ist, braucht seine Zeit. Warum? Das Leben hier war einfach, aber wahnsinnig intensiv. Aufstehen, in nasse Sachen hüpfen, Essen, sich über das Wetter ärgern/freuen, wandern, schwitzen, sich über Aussichten freuen, verrückte Menschen treffen, Essen, in den Schlafsack kriechen und um 9:00 ist Hiker Mitternacht, dass war es – mehr passiert im Grunde 5 Monate lang nicht 😀 oder etwa doch?! (mehr dazu folgt an dieser Stelle ;-))- soviel zu meinem kurzen Resumee. Ich werde die Texte der Woche noch nachträglich einbetten.
Trailmeile: 2189.2

8 Gedanken zu “Tag 153 – 159 Monson bis Katahdin

  1. Ich bin schon ein wenig traurig das ich nun deinem Blog nicht mehr folgen kann aber es freut mich, dass du angekommen bist. Du hast meinen vollen Respekt für deine Leistung. Ich starte mit meinem Mann im nächsten Jahr und muss sagen, dass mir deine amüsanten (und ehrlichen) Beschreibungen ein wenig die Angst vor der großen Aufgabe genommen haben. Vielen Dank 🙂

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    • Gerne – ich wünsche euch echt eine tolle Zeit hier auf dem Weg, denn das kann sie sein oder eben auch ein Trip Richtung „Hölle“ am Ende (kleiner Scherz) entscheidet das hier jeder selbst 😀 Solltet ihr irgendwelche Fragen haben die ich vielleicht beantworten kann, dann immer her damit.

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  2. Hallo Dom,
    herzlichen Glückwunsch!
    Wir freuen uns, dass du es geschafft hast und die Zeit genießen konntest.
    Wir wünschen Dir noch eine schöne Zeit in den Staaten und freuen uns schon auf ein paar Erzählungen.
    Auf bald

    Konrad, Janine und Romy

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